Die Türkei liegt im fränkischen Grabfeld in der Nähe von Königshofen. Klingt komisch, aber zahlreiche Orte in Deutschland tragen den “Spitznamen” Türkei oder kleine Türkei.
In diesem Fall handelt es sich um das kleine Örtchen Ipthausen bei Bad Königshofen. Die 218 Einwohner des Örtchens werden heute noch als „Türken“ bezeichnet.
Dank eines türkisch sprechenden und Koran zitierenden Papageis schaffte es Ipthausen 2001 sogar in die türkische Tageszeitung Hürriyet und wurde mehrfach von türkischen Delegationen besucht.
Warum die Ipthausener Türken genannt werden, ist nicht ganz gesichert. Viele Orte in Deutschland werden Türkei genannt, einfach nur weil sie östlich eines größeren Ortes liegen.
Hier gibt es jedoch einige weitere interessante Hinweise. Das Dorf liegt östlich der kleinen Wallfahrtskirche Mariä Geburt. Auf dem Deckengemälde dieser Kirche findet sich eine Darstellung der vier Erdteile. Asien wird auf dem Deckengemälde in Richtung Ipthausen und mit Menschen in orientalischer Kleidung dargestellt.
Das Deckengemälde wurde von Georg Anton Urlaub 1752 angefertigt. Der Spitzname “Türken” dürfte jedoch wesentlich älter sein.
Urkundlich erwähnt wird Ipthausen 1244 erstmals und ist ein Landgut von Otto von Botenlauben (1175-1244). Graf Otto ist eine faszinierende Persönlichkeit: Minnesänger, Kreuzritter, Herzensbrecher und Klostergründer.
1197 macht er sich auf ins Heilige Land, erwirbt dort Ruhm und Anerkennung und heiratet 1206 Beatrix von Courtenay die wohlhabende Tochter des Schatzmeisters von Jerusalem.
Beatrix war eigentlich dem späteren König von Jerusalem zur Ehe versprochen, entschied sich dann aber für den charmanten Franken (er nannte sie “Mein syrisches Gold”). Sie entstammt einem französischen Adelsgeschlecht, das schon seit 1101 in den Kreuzfahrerstaaten lebt.
Beatrix erbt den Besitz ihres Vaters mit 46 Orten, heute im südlichen Libanon und nördlichen Israel gelegen, darunter Akkon, in dessen Burg das Ehepaar viele Jahre verbringt.
1220 verkauft das Paar seine Besitzungen an den Deutschen Orden und kehrt ins heimische Bad Kissingen zurück.
Im Gepäck haben sie ein Vermögen “7000 Silbermark und 2000 sarrazenische Byzantiner” hatten ihnen alleine der Verkauf ihrer Ländereinen eingebracht (nach heutigem Wert mehrere Millionen Euro). In ihrem Gefolge befindet sich jedoch auch ihr Hausstand und ihr Personal, das zum Großteil aus Männern und Frauen ihrer Ländereien in Palästina bestanden haben dürfte.
Während Otto und Beatrix die Burg Botenlauben in Bad Kissingen ausbauten, wurde ein Teil ihrer Pferde und Bediensteter in ihrem Landgut in Ipthausen untergebracht.
Auch wenn wir nicht genau wissen, ob arabische oder türkische Siedler zu den ersten Einwohnern Ipthausens zählten, ist es daher durchaus wahrscheinlich, dass schon vor über 800 Jahren Menschen aus dem Orient in Unterfranken gelebt haben.
Zum Weiterlesen:
Ludwig Bechstein, Geschichte und Gedichte des Minnesängers Otto von Botenlauben Graf von Henneberg, Leipzig 1848
Online unter: https://www.digitale-sammlungen.de/de/view/bsb10056911?page=7
Peter Weidisch (Hg.), Otto von Botenlauben. Minnesänger, Kreuzfahrer, Klostergründer, Würzburg 1994
Stefan Huppertz-Wild, Flüchtlinge aus dem Heiligen Land gründeten das Kloster Frauenroth im Landkreis Bad Kissingen, Forchheim 2016
Zum Weiterhören:
Otto von der Botenlaubens Minneklage https://www.youtube.com/watch?v=qQUrn8fdUxc
Bildnachweis:
Codex Manesse, UB Heidelberg, Cod. Pal. germ. 848, fol. 27r, Graf Otto von Botenlauben
Public Domain by Wiki Commons: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Codex_Manesse_Otto_von_Botenlauben.jpg