„Alle Religionen Seindt gleich und guht wan nuhr die leüte so sie profsiren Erliche leüte seindt, und wen Türken und Heiden kähmen und wollten das Land Pöpliren, so wollen wier sie Mosqueen und Kirchen bauen.“ Friedrich der Große handschriftlich am 15.06.1740
„Alle Religionen sind gleich und gut, wenn nur die Leute, die sie ausüben, ehrliche Leute sind. Und wenn Türken und Heiden kämen und das Land bevölkern wollten, so wollen wir ihnen Moscheen und Kirchen bauen.“
Dieses berühmte Zitat von Friedrich dem Großen scheint seiner Zeit weit voraus zu sein. Ein deutscher Herrscher, der muslimischen Migranten Moscheen bauen will? Wie ist es zu diesem Zitat gekommen? Um dies zu verstehen, müssen wir in der Zeit etwas weiter zurückgehen.
Schauen wir auf die Vorgeschichte dieses Zitats, finden wir zunächst den 30-jährigen Krieg, der von 1618 bis 1648 in Europa grausam wütete. Die deutschen Länder hatten bis zu 70% Ihrer Bevölkerung verloren, ganze Landstriche lagen brach. Doch nach Beendigung des Krieges verdoppelte sich in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts die Bevölkerung der deutschen Länder von 10 Mio. auf 20 Mio. Menschen.
Dies gelang vor allem durch eine bewusste “Pöplierung”, also Ansiedlung von Migrant:innen. Das aktivste Migrationskonzept hatte hierbei Brandenburg-Preußen. Hier öffnete man sich Fachkräften, beispielsweise aus den Niederlanden, der Schweiz oder Böhmen, aber auch religiösen Minderheiten, wie den französischen Hugenotten.
Während anfangs noch auf die „passende”, also hier protestantische, Konfession der Migrant:innen geachtet wurde, traten um die Wende zum 18. Jahrhundert wirtschaftliche Motive immer mehr in den Vordergrund.
Bereits 1671 siedelte man 50 wohlhabende jüdische Familien, die aus Wien geflohen waren, an. Ihnen wurde zunächst privat und ab 1684 auch offiziell die Ausrichtung jüdischer Gottesdienste gestattet. 1712 erlaubte man den Bau der ersten Synagoge.
Es kommen auch zunehmend Katholik:innen, denen Friedrich der Große 1747 die katholische St. Hedwigs Kathedrale am heutigen Berliner Bebelsplatz bauen lässt.
Wie sieht es nun mit Muslim:innen aus? Noch während des Krieges gegen die Osmanen 1683-1699 kamen zahlreiche „Beutetürken” nach Brandenburg. Der prominenteste unter diesen Kriegsgefangenen in Brandenburg war sicherlich der sogenannte „Kammertürke” Christian Friedrich Aly.
Während viele dieser „Beutetürken” zum Christentum konvertierten, finden sich ab 1691 auch Zeugnisse von Begräbnissen nach muslimischem Ritus, also erste Belege für die Religionsausübung von Muslimen.
Außerhalb des Hofes sind Muslim:innen in dieser Zeit in Preußen vor allem im Militär dokumentiert. Zunächst vor allem als Musiker, später vermehrt auch als Soldaten.
Nachdem der preußische König Friedrich Wilhelm I. 1713 gekrönt worden war, bildete er aus dem Infanterieregiment No. 6 sein Leibregiment. Die besondere Position dieses Regiments sollte symbolisiert werden durch die Größe der Soldaten. Die Mindestgröße für Gardesoldaten (das “Gardemaß”) betrug 6 preußische Fuß (1,88m). Der Volksmund nannte das Regiment daher schnell “Die Langen Kerls”.
Auf der Suche nach diesen „Riesen” scheute man weder Kosten noch Mühen, auch die Herkunft spielte keine Rolle. So finden sich Soldaten aus Afrika, wie 15 schwarze Querflötenspieler des Königsregiments, und aus ganz Europa, wie der 2,17m große Ire James Kirkland.
Öfters waren die „Langen Kerls” Teil eines Tauschgeschäfts, so wurden im Jahre 1718 55 Gardesoldaten vom russischen Zaren als Gegenleistung für das legendäre Bernsteinzimmer eingetauscht. Der Prominenteste unter diesen war Shahferid Ridvanov (in den Rekrutierungslisten „eingedeutscht” als Schwerid Rediwanoff), ein 2,04 m großer Tatare, der sogar in einem Gemälde verewigt wurde.
Die genaue Zahl der muslimischen Soldaten ist nicht erfasst. Für die häufig erwähnte „Schenkung” von 22 muslimischen Gardesoldaten 1731, sowie einen königlichen Erlass für die Einrichtung eines Gebetsraums 1732, gibt es nach jetzigem Stand keine historischen Belege. Sie scheinen auf einem Roman zu beruhen und nicht auf überprüfbaren Fakten.
Schätzungen gehen davon aus, dass rund 20% der Gardesoldaten Muslime gewesen sind. Sie kamen aus Süd- und Osteuropa, also aus Litauen, Polen, Russland, der Ukraine oder sogar aus dem Osmanischen Reich.
Wie viele der rund 600 Soldaten aus dem Süd-Ost-Europäischen Raum Muslime waren, wissen wir nicht genau, wir können aber von mehreren Dutzend Muslimen ausgehen, die ihre Religion frei ausübten.
Der Sonntagvormittag war im Garnisonsleben für Gottesdienste der Soldaten vorgesehen. Hierbei gab es protestantische, aber auch katholische (unter anderem auf Italienisch, Spanisch, Portugiesisch und Polnisch) und russisch-orthodoxe Gottesdienste.
Für Muslime war im Militärwaisenhaus ein Gebetsraum eingerichtet, in dem sie sonntags (statt wie traditionell islamisch am Freitag) auch den wöchentlichen Gottesdienst feierten. Dort befand sich auch die Schule der Militärmusiker, die einen recht hohen Anteil muslimischer Schüler hatte).
Anders als bei den anderen Religionsgruppen wurde hierfür kein externer Prediger abgestellt, da die Muslime einen Imam aus ihren eigenen Reihen bestimmten.
Eine recht zuverlässige Quelle über diese Gruppe der Muslime sind die Berichte des protestantischen Predigers Paul Pintzger, der es sich zur Aufgabe gemacht hatte die Muslime vom Christentum zu überzeugen.
Seine Berichte aus dem Jahr 1739 erzählen uns von den Muslimen. Er berichtet unter anderem über Diskussionen mit dem Imam, der ihm zu verstehen gibt, dass er nicht russisch, sondern arabisch lernen und den Koran im Original lesen sollte, wenn er den Islam verstehen will.
Pintzger bescheinigt dem Imam, dass er “einen hohen Anstand zu haben scheint und auch in ihren Gesetzen erfahren seyn mag”.
In seinem Bemühen um einen besseren Dialog mit den Muslimen wendet sich Pintzger an das “Institutum Judaicum et Mohamedanicum” in Halle, eine privat finanzierte Missionseinrichtung, deren Aufgabe es war, Luthers Katechismus und pietistische Grundtexte in orientalische Sprachen zu übersetzen und diese Texte in der Mission einzusetzen.
Pintzger bittet um Lehrbücher in orientalischen Sprachen, um mehr Informationen über den Islam und um christliche Texte, die in orientalische Sprachen übersetzt wurden.
Trotz seiner Bemühungen zeigen sich die Muslime von seinen Missionsbemühungen unbeeindruckt. Wie ein Dialog zwischen Pintzger und dem Imam fortgesetzt worden wäre, bleibt leider Spekulation, denn 1740 verliert sich die Spur der ersten muslimischen „Gemeinde”. Die muslimischen Soldaten kehrten entweder in ihre Heimat zurück, oder wurden in andere Heeresteile eingegliedert.
Einen Bericht über gottesdienstliche Handlungen finden wir erst 1762 im Zuge der Gründung des sogenannten „Bosniakencorps“ wieder. Diese Einheit mit rund 1.000 Soldaten wurde im Siebenjährigen Krieg gebildet und bestand zum Großteil aus Muslimen. Diese Muslime waren in großer Zahl im Krieg gegen Russland zu den Preußen „übergelaufen”. Grund waren Bündnisverhandlungen Preußens mit dem Osmanischen Reich. Es kam zwar nie zu einem solchen Bündnis, aber allein die Gerüchte hierüber reichten aus, um Preußen die Sympathie muslimischer Gruppen im russischen Einflussbereich zu sichern.
Von diesem Bosniakencorps wissen wir, dass sie einen Militärimam hatten: Leutnant Osman den „Prediger der preußischen Mohammedaner”.
Die religiöse Toleranz Preußens innerhalb ihres Militärs scheint daher auch in den folgenden Jahren fortgesetzt worden zu sein.
Zum Weiterhören:
Unser Podcast “Die Beutetürken” https://anchor.fm/smf-verband/episodes/Die-Beutetrken-e165jkg
Zum Weiterlesen:
Stephan Theilig, Türken, Mohren und Tataren – Muslimische (Lebens-)Welten in Brandenburg-Preußen im 18. Jahrhundert, Berlin 2013
Bernt Engelmann, Du deutsch? – Geschichte der Ausländer in Deutschland, Göttingen 1991
Matthias Asche; Thomas Brechenmacher: Brandenburg und die Migration – thematische Einführung und chronologische Übersicht, In: Matthias Asche, Thomas Brechenmacher (Hg.): Hier geblieben? Brandenburg als Einwanderungs- land vom Mittelalter bis heute, Potsdam, Universitätsverlag Potsdam, 2022, S. 11–34.
Bildnachweis:
Potsdammer Militärwaisenhaus
Bundesarchiv, Bild 170-197 / Max Baur / CC-BY-SA 3.0
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