1943: Heinrich Himmlers Sympathie zum Islam

von | 2023 | Muslimische Spur

„Ich muss sagen, ich habe gegen den Islam gar nichts, denn er erzieht mir in dieser Division seine Menschen und verspricht ihnen den Himmel, wenn sie gekämpft haben und im Kampf gefallen sind. Eine für Soldaten praktische und sympathische Religion.“  

Dieses zynische Zitat von Heinrich Himmler stammt aus einer Rede vor Parteifunktionären im Jahr 1944. Wie kommt einer der Hauptverantwortlichen des Holocaust dazu, den Islam sympathisch zu finden? 

Er sprach in dieser Rede von der SS-Einheit „Handschar” (Handschar ist ein arabischer Krummdolch), die in Bosnien eingesetzt wurde und größtenteils aus muslimischen Bosniern bestand. Die “Handschar” galt als besonders opferbereit – ein Vorzeigeprojekt für die Eliteeinheit SS. 

Die aus 20.000 Soldaten bestehende SS-Division war ein propagandistischer Leuchtturm, es wurde häufig über sie berichtet, zahlreiche Foto- und Filmaufnahmen dieser Einheit sorgen damals (und teilweise bis heute) dafür, ein “Bild” der Kollaboration von Muslimen und Nationalsozialismus zu zeichnen. 

Wie kommt es zu der Einrichtung dieser SS-Division, vor allem wenn man weiß, dass Hitler noch 1941 strikt dagegen war “Nicht-Deutsche” im Krieg einzusetzen? 

Es waren mehrere Schritte notwendig, um diese Schritte ideologisch zu rechtfertigen. Zum einen griff man auf Rassentheoretische Schriften zurück, die zwischen den semitischen Völkern differenzierten, ja man verbannte sogar das Wort “Antisemitismus” aus dem nationalsozialistischen Wortschatz, damit nicht alle Völker des Orients vom “Kampf” gegen das Judentum getroffen würden. 

Im Falle der Bosnier ging man sogar so weit, sie zu “arisieren”, also zu Ariern zu erklären – Angehörigen der weißen “Herrenrasse”. 

Zum anderen war man vom zahlenmäßigen Erfolg der Wehrmacht beeindruckt in kurzer Zeit eine große Zahl von Muslimen rekrutieren zu können.  

Die SS sah dieses große Potential und war sich sicher, dies besser umsetzen zu können als die Wehrmacht.  

Die SS verstand sich als die Elite Nazi-Deutschlands und stand teilweise in Konkurrenz zum Militär. Die Wehrmacht verstand sich als klassische Armee. Um Offizier zu werden benötigte man eine akademische Bildung. Die meisten Offiziere entstammten der Oberschicht.  

Bei der SS kam es vor allem auf die ideologische Gesinnung an. Wer sich überzeugend zum Nationalsozialismus bekannte, konnte unabhängig seiner Herkunft und Bildung in hohe Positionen aufrücken. Die “Gesinnung” war somit die Eintrittskarte für finanziellen und gesellschaftlichen Aufstieg. 

Als sich die SS der Rekrutierung von Muslimen zuwandte, war es daher genauso wichtig, sie nicht nur militärisch, sondern auch ideologisch auszubilden. 

Man gründete eigene Imam Schulen, bei denen die Militärgeistlichen auch in der Nazi-Ideologie geschult wurden. SS-Imame waren nicht nur Seelsorger (wie bei der Wehrmacht), sondern hatten auch einen politischen Auftrag. Außer bei den eigenen Soldaten sollten SS-Imame auch gezielt auf die Unterstützung der lokalen Bevölkerung und lokalen Geistlichkeit einwirken. 

Man achtete außerdem darauf die muslimischen SS-Verbände genauso gut, wie alle SS-Verbände auszustatten.  

1943 wird mit dem Aufbau der bosnischen Einheit begonnen. Sie stellte einen neuen Typ von SS-Einheiten dar, die ausschließlich in ihrer Herkunftsregion eingesetzt wurden. Die “Heimatverteidigung” auf dem Balkan, sollte die in anderen Gebieten eingesetzten SS-Einheiten entlasten.  

Nach militärischen Erfolgen in Bosnien folgten 1944 weitere Einheiten: die Albanische SS-Division “Skanderbeg” mit ca. 6.500 Mann (verantwortlich unter anderem für die Deportation von Juden aus dem Kosovo nach Bergen Belsen), der Kaukasische Waffenverband “Schamil” und der Osttürkische Waffenverband “Timur” mit jeweils 6-8000 Mann. Insgesamt schlossen sich rund 40.000 Muslime der Waffen-SS an. 

Letzter Kommandant des Osttürkischen Waffenverbandes war der sich zum Islam bekennende Deutsche Wilhelm Harun al-Raschid Hintersatz. Die Wehrmacht hatte den Veteranen des Ersten Weltkrieges 1939 noch aus Altersgründen abgelehnt. Bei der SS erhielt er nun (mit 58 Jahren) die Chance das Kommando der SS-Einheit Timur zu übernehmen. Imam seiner Einheit war Nureddin Namanghani (der nach dem Krieg in München eine wichtige Rolle spielt). 

Von begrenzten Erfolgen in Bosnien abgesehen spielen die muslimischen SS-Verbände jedoch keine entscheidende Rolle mehr. Sie sind zu gering in der Anzahl und kommen zu spät, um noch in das Kriegsgeschehen eingreifen zu können. 

Ein weiterer Grund, warum die SS mit ihrer “Islam-Strategie” scheitert ist, dass sie die regionalen, konfessionellen und ethnischen Unterschiede zwischen Muslimen nahezu völlig ignoriert. Dass Muslime kein einheitlicher Block sind, hätten sie schon aus der “Tornisterschrift” Islam lernen können, die die Wehrmacht 1941 veröffentlichte. 

Die Hoffnung Himmlers, eine größere Anzahl von Muslimen würden sich in blindem Gehorsam für seine Interessen missbrauchen lassen, hat sich daher glücklicherweise nicht bewahrheitet. 

Für Muslim:innen gilt durchaus vergleichbares, wie für alle Deutschen. Es gab unter ihnen Täter, Profiteure, Mitläufer und Opfer. Es lohnt sich daher auch für Muslim:innen, sich mit diesem dunklen Kapitel der gemeinsamen Geschichte auseinander zu setzen und die Lehre daraus zu ziehen, wozu rassistische Verblendung führen kann. 

 

Zum Weiterlesen:  

Stefan Petke, Muslime in der Wehrmacht und Waffen-SS – Rekrutierung – Ausbildung – Einsatz, Berlin 2021 

David Motadel, Für Prophet und Führer – Die islamische Welt und das Dritte Reich, Stuttgart 2017 

Zvovomir Bernwald: Muslime in der Waffen-SS – Erinnerungen an die bosnische Division Handschar (1943-45), Graz 2021 

Felix Wiedemann, Der doppelte Orient – Zur völkischen Orientromantik des Ludwig Ferdiand Clauß, Leiden 2009 

Über Harun al Raschid Hintersatz, die Website: www.harun-el-raschid-bey.de 

 

Bildnachweis: 

Der Großmufti von Jerusalem Amin al Husseini bei den bosnischen Freiwilligen der Waffen-SS. Der Großmufti ist auf dem Truppenübungsplatz eingetroffen und schreitet die Front der angetretenen Freiwilligen mit erhobenem Arm ab. 

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